Vor 16 Jahren haben wir am Bowron Lake mit dem Kanadier bereits eine Linie ins Wasser gezogen. Damals hatten wir leider nur einen Tag Zeit, aber die Landschaft, die Tierwelt und das Abenteuer, mit einem Kanadier in die Wildnis zu paddeln war so beeindruckend, dass wir hier bei unserem nächsten Kanadatrip unbedingt länger unterwegs sein wollten!
Daher steht der Bowron Lake Provincial Park (British Columbia) diesmal ganz oben auf der Prioritätenliste. Im Vorfeld haben wir uns eingehend informiert: Bei der ganzen Tour über die Seenkette sind knapp 120 km zu paddeln und es ist gut eine Woche dafür zu veranschlagen. Die komplette Ausrüstung incl. Zelt, Schlafsack, Lebensmittel, Kocher etc. muss man auf dem Wasserweg transportieren, da es unterwegs keine Versorgungsstationen gibt. Und die Ausrüstung sollte nicht die schlechteste sein, denn die Gegend ist als Schlechtwettergebiet bekannt, in der es häufig regnet und plötzliche Fallwinde aus den umliegenden Bergen große Wellen aufbauen…
Als wir am Bowron Lake ankommen, zeigt er sich jedoch von seiner besten Seite: Herrlicher Sonnenschein lässt das Wasser glitzern
und lockt uns verheißungsvoll in die Wildnis. Also mieten wir uns bis zum Abend noch einen Vierer-Kanadier und nutzen den schönen Tag. Eine Halbtagestour kommt mir gerade recht, denn so kann ich
die Kondition unserer Kids beim Paddeln testen. Ich sitze im Kanadier als Steuermann hinten und vorne wechseln sich die Kids und meine Frau ab. Ich fühle mich gut in Form und es macht richtig
Spaß, den Kanadier nach der langen Autofahrt mit voller Kraft voranzutreiben. Außerdem möchte ich noch gerne bis zum Bowron River kommen, denn ab dort fängt die ursprüngliche Wildnis erst richtig
an. Unterwegs können wir einen Gänsesäger mit seinen Jungen beobachten, die brav hinter der Mama im Wasser schwimmen. Auch einen Adler, der im Geäst eines Baumes sitzt, entdecken wir. Genau so
stelle ich mir ein Abenteuer in der Wildnis vor!! Als wir das Ende des Bowron Lake erreichen, ist noch genügend Zeit, so dass wir dem gewundenen Verlauf des Bowron River flussaufwärts bis zum
Beginn des Swan Lake folgen. Mit den Augen suchen wir das Ufer ab, vielleicht zeigt sich ja doch ein Elch? Aber es bleibt für heute beim Paddeln, das aber bei dem schönen Wetter ein echter Genuss
ist. Schließlich erreichen wir das erste Camp am Übergang zum Swan Lake, wo wir nach kurzer Pause unseren Rückweg antreten. Wir passieren mehrere Biberburgen, aber leider zeigt sich keiner der
Nager. Im glasklaren Fluss entdecken wir dafür ein paar Lachse. Die roten, torpedoförmigen Leiber sind fast einen halben Meter lang…
Am Bowron Lake beobachten wir noch einen Fischadler, der über dem Wasser kreist. Nachdem sich länger kein Fisch an der Wasseroberfläche zeigt, dreht der Fischadler ab und fliegt weiter. Um 19 Uhr 30 sind wir zurück und geben unseren Kanadier wieder ab. Mit fast 25 km haben wir für eine Halbtagestour heute reichlich Strecke gemacht! Aber es hat sich deutlich gezeigt, dass bei den Kids die Power für ein eigenes Boot fehlt. Mehrere Tage stundenlang paddeln und dann u. U. noch bei widrigen Wetterbedingungen würde wohl ihr Limit überschreiten und der Spaßfaktor verloren gehen. Also überlegen wir uns, zusätzlich zum Kanadier ein Kajak als Gepäcktransporter ins Schlepptau zu nehmen! Den ganzen Circuit schaffen wir damit nicht, denn einige Stellen haben dafür zu starke Strömungen, aber die Westside sollte machbar sein. Und gerade hier ist der Tierreichtum besonders groß, also bin ich als Photograph dort gut aufgehoben.
Vor Antritt der Tour steht am nächsten Tag erstmal das Pflichtprogramm auf der Tagesordnung: An der Rangerstation fragen wir um eine Genehmigung für die Westside nach, die wir glücklicherweise auch erhalten. Aufgrund der geringen Anzahl der Camps im Park wird auch die Anzahl an Booten reglementiert, damit nicht zu viele Leute auf der Route unterwegs sind. Für 120 Can$ (30 $ p. P.) erhalten wir ein Permit für die Westside (max. 4 Tage). Wasserdicht eingeschweißt muss es an den Booten befestigt werden. Zudem müssen wir uns ein Video ansehen, das die wichtigsten Verhaltensregeln auf der Tour zeigt: Tipps zur Ausrüstung, Mitnahme von Lebensmitteln und Trinkwasser bzw. Wasseraufbereitung (obwohl das Wasser glasklar ist, kann man es nicht trinken, da „Guardia Lamblia“, ein Darmerreger sonst heftiges Fieber verursacht), was ist zu tun bei Bärenkontakt, wo kann man im Notfall Hilfe holen, wo sind die schwierigen Stellen auf der Route… Mit uns sind noch einige „Hasardeure“ aus aller Herren Länder anwesend und irgendwie liegt das Abenteuer schon in der Luft. Nach etwa einer Stunde ist das Pflichtprogramm absolviert und wir verlassen die Rangerstation. Heftiger Regen erwartet uns vor der Tür und hält uns auch tagsüber in Schach. Die Gegend um den Bowron Lake zeigt ihr anderes Gesicht. Wir nutzen den Tag, um unsere Ausrüstung zusammenzusuchen und alles wasserdicht zu verpacken. Dann kochen wir uns nochmal Nudeln, um reichlich Kohlenhydrate für die Tour zu bunkern. Irgendwie sind wir froh, die Tour nicht schon heute gestartet zu haben. Bei dem Regen den ganzen Tag auf dem Wasser unterwegs zu sein und paddeln zu müssen, wäre ziemlich hart. Auch mit der besten Ausrüstung wird irgendwann alles feucht und klamm… Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist besser, aber so richtig glauben können wir es trotzdem nicht. Jeden Tag ändert sich die Vorhersage!
Die ganze Nacht schüttet es aus Kübeln und Blitz und Donner halten uns zeitweise wach. Am nächsten Morgen geht es trotzdem los.
Das Wetter schaut noch etwas zwielichtig aus, aber zumindest regnet es nicht. Nach der harten Nacht dauert es entsprechend lange, bis wir die Zelte einigermaßen trocken bringen… Wir mieten uns
einen Kanadier, ein Kajak und noch einen wasserdichten Packsack für drei Tage (250 Can$) und dann geht das große Verstauen los. Unglaublich, wieviel Gepäck wir unterbringen müssen, dabei haben
wir nur das Nötigste mitgenommen: Zelte mit Unterlegplanen, die Schlafsäcke, Kleidung, Photorucksack (das Wichtigste!!!), Trinkwasserkanister, Lebensmittel für drei Tage, Kocher und Geschirr,
Ausrüstungskleinteile (Axt, Seil, etc.), Erste Hilfe-Set, Regenkleidung, Taschenlampen, Müllbeutel, Reservekleidung, Zahnbürste ;-). Und wir Vier wollen ja auch noch mit ins Boot… Irgendwann ist
alles verstaut und mit dem Kajak im Schlepptau starten wir in die Wildnis! Hoffentlich haben wir an alles gedacht und nichts vergessen. Sind auch alle Isomatten dabei?? Und die Zeltheringe???
Etwas schwerfälliger lässt sich der Kanadier jetzt steuern, aber trotzdem geht es gut voran. Nachdem wir die Hälfte des Bowron Lake durchpaddelt haben, erleben wir ein eindrucksvolles
Naturschauspiel, werden dabei aber von oben fast „bombardiert“: Ein Fischadler, der gerade seine Beute transportiert, wird von einem Weißkopfseeadler angegriffen. Um wendiger zu sein, lässt der
Fischadler den Fisch fallen und entkommt. Entgegen meiner Erwartung holt sich der Weißkopfseeadler aber nicht den fallengelassenen Fisch sondern verfolgt weiter den Fischadler. Wow, um solche
Situationen beobachten zu können, sind wir hierher gekommen. 200 Meter näher und der Fisch wäre uns ins Boot gefallen… Nach 2 Stunden sind wir am Bowron River angekommen und müssen mit unserem
„Anhänger“ gegen die Strömung ankämpfen. Schließlich entdecken wir etwas abseits des Flusses in den Sümpfen eine dreiköpfige Fischotterfamilie. Wir drehen ab und paddeln den Fischottern sachte
hinterher. Aus früheren Erfahrungen wissen wir, dass die Fischotter wesentlich schneller schwimmen können als wir mit dem Paddel vorwärtskommen, aber vorsichtig können wir uns annähern, außerdem
verlassen wir uns auf eine Eigenart der schnellen Schwimmer: Fischotter sind unheimlich neugierig!!! Immer wieder tauchen sie auf und beobachten uns, natürlich unterschreiten sie dabei nie eine
für uns unsichtbare Grenze. Aber wir können Ihnen dabei zusehen, wie sie auf Jagd gehen und sogar mit einem kleinen Fisch auftauchen. Leider kann ich in dem schwankenden Kanadier nur ein
Belegphoto machen, denn die schnellen, wendigen Fischotter sind unheimlich schwer in den Sucher zu bekommen. Aber allein das Zuschauen macht viel Spaß!
Nachdem wir in der Marsch ein paar zusätzliche Kilometer zurückgelegt haben, kehren wir wieder in den Hauptkanal zurück und paddeln bis zu seinem Ende. Dort beziehen wir das Camp Nr. 53, das herrlich in der Nachmittagssonne liegt. Vor 16 Jahren haben wir hier eine Elchkuh mit ihren beiden Jungen gesehen, außerdem hat uns vor zwei Tagen ein anderer Paddler erzählt, dass er abends und morgens dort ebenfalls Elche gesehen hat. Die Gegend ist ideal für Elche, viele Wasserpflanzen bieten dort jede Menge Futter. Also hoffen wir… Nachdem die Zelte aufgebaut sind, genießen wir die verdiente Brotzeit in der Sonne und lassen den Blick über das Gewässer gleiten. Immer wieder hallt der Schrei eines Loon über den See. Abenteuer pur! Wir begrüßen ein paar andere Paddler auf der anderen Campsite, die ihre Sachen in einer Not-Hütte zum Trocknen aufgehängt haben. Gestern wurden sie wie wir von dem schweren Regen erwischt und viele Sachen sind nass geworden… In der Hütte hängen geschnitzte Paddel an der Decke, in denen die Namen der hier vorbeigekommenen Paddler verewigt sind. Am späten Nachmittag touren wir nochmal los und paddeln den Swan Lake hinauf, um am Woodlot der Insel etwas Brennholz zu holen. Unterwegs treffen wir auf Mira und ihre Tochter. Sie sind den ganzen Tag gepaddelt, sind inzwischen ziemlich müde und ausgefroren und suchen verzweifelt einen leeren Platz für´s Camp. Da der Platz neben uns frei war, lotsen wir sie dorthin. Mira kommt ursprünglich aus der ehemaligen Tschechoslowakei und ist in den 80er Jahren nach Kanada ausgewandert. Mit Ihrer Tochter hat sie jetzt den Circuit fast vollendet, morgen ist ihr letzter Tag auf dem Wasser. Nachdem es gestern den ganzen Tag und fast die ganze Nacht geregnet hat, haben auch sie keine allzu leichten Bedingungen auf Wasser vorgefunden. Abends verstauen wir alle Lebensmittel, Zahnpasta etc. in einem bärensicheren Metallbehälter. Wenn man keinen Bärenbesuch wünscht, sollte man nichts ins Zelt mitnehmen, was in irgendeiner Form riecht. Das elfte Gebot lautet hier: Wasch Dich nicht mit Seife… Als die Mücken beginnen, lästig zu werden, machen wir ein Lagerfeuer. So haben wir es schön warm, sind die Plagegeister los und „toasten“ uns noch ein Brot über dem Feuer. In aller Ruhe lassen wir den Abend ausklingen.
Am nächsten Tag krabble ich in aller Frühe aus dem Schlafsack und halte nach Elchen Ausschau. Aber keines dieser hochbeinigen Tiere lässt sich blicken, dafür erwartet mich ein atemberaubender Sonnenaufgang, die ersten Sonnenstrahlen verfangen sich im Morgennebel, der über dem Wasser liegt. Lautlos gleitet bereits der erste Paddler über den See.
Unsere Zelte erreicht die Sonne erst spät, aber das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Wir packen zusammen und ziehen los. Dabei umrunden wir die Insel im Swan Lake und als wir das Camp mit der Nr. 49 erreichen, beschließen wir spontan, gleich hier unsere Zelte aufzuschlagen. Zu Füßen des Camps liegt ein herrlicher Sandstrand, den wir gleich als Badeplatz nutzen und genießen ein erfrischendes Bad. „Unser Privatstrand“ lädt zum Faulenzen ein, wir lassen uns von der Sonne verwöhnen und kochen uns leckere Nudeln mit Soße. An einem Baum hängen wieder viele selbstgeschnitzte Paddel mit den Namen der hier vorbeigekommenen Paddler. Ein Christbaum könnte nicht schöner geschmückt sein. Ich finde diese Tradition recht originell, daher schnitze ich auch ein Paddel und hänge es zu den übrigen. Am späten Nachmittag kommt ein Kanadier bei uns an, Patricia und Jürgen aus Deutschland. Sie haben heute ihre Tour gestartet und wollen auch die Westside machen. Wir überlassen Ihnen den Strand und machen uns nur mit dem Kanadier auf den Weiterweg an der Westside. Ohne Kajak im Schlepptau schaffen wir es innerhalb 1,5 Stunden bis zum Ende der Spectacular Lakes. Wir gehen die Portage weiter bis zum Skoi Lake, bunkern vom Woodlot noch Brennholz für den Abend im Kanadier und treten bei auffrischendem Wind die Heimreise an. Inzwischen bauen sich ordentliche Wellenkämme auf und wir müssen aufpassen, dass wir keine Breitseite abbekommen, sonst laufen wir Gefahr zu kentern. Also halten wir uns im Windschatten in Nähe des Ufers und bald haben wir ruhigeres Wasser erreicht. Immer wieder sehen wir im klaren Wasser zwischen den Wasserpflanzen die Fische stehen und der Ruf des Loon macht den Mythos perfekt. Um 19 Uhr 30 sind wir zurück am Camp. Stolz präsentieren wir unseren deutschen Landsleuten die mitgebrachten Holzvorräte, aber zu unserer Überraschung brennt noch kein Feuer. Die beiden haben ihr Feuerzeug vergessen und so blieb die Küche dort buchstäblich kalt ;-)). Schnell schaffen wir Abhilfe und machen ein kleines Lagerfeuer, das nicht nur die Mücken in der Dämmerung vertreibt sondern auch noch die wohlverdienten Kohlenhydrate für den nächsten Tag aufwärmt… Unser Reservefeuerzeug wechselt den Besitzer und in kurzer Zeit ergeben sich die besten Lagerfeuergeschichten. Die beiden sind wie wir richtige Globetrotter und viele kleine Abenteuerstorys werden am Lagerfeuer erzählt. Über uns funkeln in einer klaren Nacht die Sterne und wir kommen erst spät in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen weckt uns die Sonne, was nach der kalten Nacht recht angenehm ist und zudem die Zelte schnell trocknet. Nach einem kurzen Frühstück verladen wir unser Gepäck in die Boote. Patricia und Jürgen paddeln die Westside weiter südlich, wir wünschen Ihnen noch eine schöne Tour und machen uns selbst wieder auf den Heimweg. Die Swan Lake Insel umrunden wir diesmal auf der anderen Seite. Einen Elch sehen wir wieder nicht, dafür können wir einen Weißkopfseeadler beobachten, wie er im Sturzflug ins Wasser taucht und mit seiner Beute abfliegt. Heute ist deutlich mehr Wind als in den letzten Tagen, daher müssen wir kräftiger paddeln. Meine Hände habe ich mittlerweile fast vollständig mit Tapes umwickelt, trotzdem machen sich einige Blasen bemerkbar. Die Mädels am Bug haben zu wenig Schub, so dass ich neben dem Antrieb immer stark gegensteuern muss. Aber dieses Abenteuer ist jede Mühe wert. Und wieder entdecken wir ein paar Fischotter, diesmal eine vierköpfige Familie. Neben Kanadagänsen sehen wir auch wieder Gänsesäger und den Loon, dessen Ruf wir inzwischen herbeisehnen. Der Bowron River gefällt uns mit seinen engen Windungen, dem klaren Wasser und seinem Fischreichtum wieder besonders gut. Als wir in den Bowron Lake kommen, kämpfen wir gegen den Wind an, mit dem Kajak im Schlepptau bei den großen Wellen kein leichtes Unterfangen. Als wir an einer Sandbank vorbeikommen, beschließen wir, noch einmal Pause zu machen und uns Nudeln zu kochen. Es gibt kaum eine schönere Stelle am Bowron Lake, wo man sein Mahl zubereiten könnte. Frisch gestärkt kämpfen wir gegen die Wellen an und erreichen am frühen Abend den Ausgangspunkt unseres Abenteuers. Das Wetter scheint sich zum Schlechteren zu wenden und wir sind froh, dass wir trockenen Fußes unsere Tour beenden können und ich meine Photoausrüstung nicht im See versenkt habe… Inzwischen spüren wir alle unseren verlängerten Rücken vom vielen Sitzen im Boot. Fast achtzig Kilometer haben wir in den vier Tagen auf dem Wasser zurückgelegt. Ein backcountry-Abenteuer der besonderen Art, genauso, wie wir es uns vorgestellt haben. Und als Glückspilze sind wir mit gutem Wetter durchgekommen. Da soll man nicht ins Schwärmen kommen und das nächste Abenteuer suchen.
Ach ja:
Beim nächsten Kanadatrip steht der ganze Circuit auf dem Programm…
Website des Bowron Lake Provincial Parks: www.bowronlakeinfo.com