Kleinste Eule Deutschlands

Der Sperlingskauz

 

Die Überraschung ist perfekt: In nur 4 m Höhe blickt ein Sperlingskauz aus seiner Bruthöhle! Wie oft im Leben hat man schon in freier Wildbahn Begegnungen dieser Art. Von diesem Zeitpunkt an verbringe ich mehrere Wochen lang jede freie Minute bei dieser kleinsten Eulenart Deutschlands. Meine längste Fotosession dauerte 10 ½ Stunden… Dabei wurde ich mit einmaligen Szenen und Erlebnissen belohnt, die jeden Naturfreund träumen lassen…

Anfangs bin ich froh über jede Aufnahme, die ich von dem Sperlingskauz machen kann. Vorwiegend beschränken sich die Photos noch auf das Sperlingskauzweibchen, das ab und zu aus der Öffnung der Höhle blickt, um die Umgebung zu überprüfen. Aber auch diese kurzen Momente lassen den Puls nach oben schnellen, denn bisher konnte ich Sperlingskäuze noch nie in freier Wildbahn beobachten. Mit jedem neuen Tag und zunehmender Aktivität der Käuze erweitert sich langsam aber sicher die Bandbreite der Beobachtungen. Das Weibchen, das die Pflege der Jungen übernimmt, fliegt öfter aus, wirft Kot und Gewölleballen aus der Bruthöhle und lässt sich ab und zu an nahegelegenen Ästen in der näheren Umgebung nieder, um sich der Gefiederpflege zu widmen.

Die Bedingungen vor Ort sind jedoch nicht einfach. Die Baumhöhle des Sperlingskauzes befindet sich in einem relativ dichten Mischwald und das Laub von Birke und Erle schirmen das Licht weitgehend ab. In der Regel photographiere ich mit Isozahlen von mindestens 1600 bis 4000, um halbwegs akzeptable Verschlusszeiten zu erreichen.


Der Sperlingskauz gehört zu den dämmerungs- und tagaktiven Eulen. Um als „Eulenwinzling“ nicht selbst Opfer größerer, nachtaktiver Eulen zu werden, hat diese Art wohl ihre Aktivität auf den Tag verlegt. Für mich bedeutet dies, dass ich kein Schlafdefizit aufbauen und bei Tageslicht deutlich einfacher photographieren kann. Zum anderen zeigt sich der Sperlingskauz äußerst robust in Bezug auf die Gegenwart von Menschen. Normalerweise bin ich es gewohnt, nur mit Tarnzelt oder Tarnumhang bei der Tierphotographie unterwegs zu sein, doch hier war jegliche Tarnung überraschenderweise absolut überflüssig. Mehrfach habe ich beobachtet, wie der Kauz in etwa 2 m Höhe unmittelbar neben einem Weg sitzt und keinerlei Regung zeigt, als mehrere Mountainbiker in wilder Hast in nur 1,5 m Entfernung (!) an ihm vorbeifahren. Auch andere Spaziergänger lässt er in unmittelbarer Nähe zu sich vorbeigehen, ohne auch nur Ansätze von Fluchtverhalten zu zeigen. Selbst beim Einbringen der Beutetiere zum Verfüttern an die Jungen zeigt der Kauz kein Zögern und dies dürfte ein sicheres Anzeichen dafür sein, dass er der Anwesenheit von Menschen keine größere Bedeutung zumisst. Trotzdem nutze ich meist Brennweiten von mindestens 800 mm, um möglichst großen Abstand zur Bruthöhle einzuhalten.

Bei den Käuzen häufen sich immer öfter spannende Szenen, auch wenn sie sich photographisch nur schwer festhalten lassen: Hoch oben im Geäst erfolgt die Futterübergabe vom Männchen zum Weibchen. Dabei kann man noch Reste der sonst ausgeprägten innerartlichen Aggression beobachten, nur widerwillig wird manchmal die Beute übergeben. Das Weibchen kehrt anschließend zurück zur Bruthöhle, meist verweilt es vorher kurz auf einem Ast und fliegt dann kopfüber in die Bruthöhle, wobei die Beute (in der Regel Mäuse, seltener Vögel) nachgezogen wird. Die Nahrungsversorgung der Jungen scheint relativ problemlos möglich, häufig legt das Weibchen die Beutetiere in Futterdepots ab, um sie bei Bedarf später entweder selbst zu fressen oder an die Jungen zu verfüttern. Während der Fütterung taucht das Weibchen ab und zu in der Öffnung der Baumhöhle auf um die Umgebung zu kontrollieren. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass noch ein Mäuseschenkel oder etwas Geflügel in ihrem Schnabel baumelt.


Sind die Jungen versorgt und die Bruthöhle von Kot und Gewölle gereinigt, fliegt das Weibchen aus der Höhle und verbringt einige Zeit mit der Gefiederpflege. Die häufig vorkommenden Hirschlausfliegen aus ihren Federn zu entfernen, ist allerdings eine schwierige Aufgabe. Diese sammeln sich bevorzugt im Nacken des Vogels und reagieren blitzschnell auf jede Bewegung des Kopfes. Auch Zecken sind am Gefieder sehen. Aber nicht nur die Vögel werden von ihnen gepeinigt, auch für mich als Photographen sind diese kleine Blutsauger ziemlich lästig: In weniger als 20 Minuten werde ich einmal von bis zu 5 Hirschlausfliegen angeflogen, Zecken krabbeln an den Händen und dutzende Mücken stürzen sich besonders in den Morgenstunden auf mich. Aber das kann mich nicht davon abhalten, dieses Naturschauspiel weiterzuverfolgen: Vor meinen Augen werden zahlreiche Mäuse vom Sperlingskauz zerlegt und gefressen. Die Federn erbeuteter Kleinvögel werden gerupft und sinken zu Boden. Und mehrmals liefert das Weibchen den größten Vertrauensbeweis  und schläft am Ast vor mir für einige Momente ein.

Die Spannung steigt, als sich die Jungen das erstemal in der Öffnung zeigen, aber es vergehen noch einmal fast zehn Tage, bis die Jungkäuze ausfliegen. Das Weibchen lockt zum wiederholten Mal auf einem nahen Ast mit einem Beutetier und schließlich traut sich der erste Jungvogel aus der Höhle. In den nächsten drei Tagen folgen sechs weitere Käuzchen und absolvieren ihren ersten Flug. Während die bereits flügge gewordenen Jungen hoch oben in den Baumkronen sitzen und dort gefüttert werden, wagt sich auch der letze Jungkauz aus seiner Höhle. Dabei wirkt „Nr. 7“ besonders unsicher. Bei den kurzen Flugstrecken, die er zurücklegt, kann er nicht an Höhe gewinnen, so dass er irgendwann im Moospolster landet. Sperlingskäuze haben neben Baummarder vor allem Habicht und Sperber als Feinde. Aber auch solche Bodenaufhalte sind für die ungeschickten Jungtiere nicht ungefährlich. Mit den Füßen und unter Einsatz des Schnabels als Kletterhilfe erklimmt der Kleine ein kleines Erlenstämmchen und schwingt sich schließlich doch noch in die Höhe.

Damit endet auch für mich diese ideale Beobachtungsmöglichkeit, von nun an sind die Käuze nur noch als Scherenschnitt hoch droben im Geäst der Baumkronen zu sehen. Für vier Wochen werden die Jungen noch betreut und hauptsächlich ihr Pfiff zeugt noch von Ihrer Anwesenheit.

Mehr Photos gibt´s hier:  Galerie Special: Sperlingskauz