Die Bedingungen sind optimal: die Wettervorhersage passt und die Anfahrt von unserer Urlaubsunterkunft zum Ausgangspunkt ist relativ kurz. Alles bestens also.
Trotzdem wache ich in der Nacht schon um 2 Uhr 20 auf und kann nicht mehr einschlafen. Irgendwie setzt sich die Mühle da oben in Bewegung und ich kann nichts dagegen machen. In Gedanken wiederhole ich die Beschreibung des Aufstieges, gehe die Ausrüstung nochmal durch und bin einfach leicht angespannt. Und vor allem müde und kann trotzdem nicht schlafen… Um 5 Uhr 10 dürfen wir endlich aufstehen. Zum Frühstück gibt´s nur ein improvisiertes Salami-Brot, süßen Brotaufstrich haben wir im Urlaub nicht dabei. (Das Buffet von unserer Unterkunft hat natürlich auch noch nicht geöffnet. Außerdem essen wir nie Wurst in der Frühe, tagsüber beim Wandern ist das ja ganz o.k., aber auf nüchternen Magen so ´ne fettige Salami…). Der fröhliche Kommentar meiner Frau beim Knuspern: „Lecker so ein Salamifrühstück … Sch...!“ Ich kann da nur voll und ganz zustimmen. Um 6 Uhr fahren wir zur Talstation der Dachsteinbahn auf 1700 m. Beeindruckend baut sich die Felskulisse um uns herum auf, ein wirklicher Augenschmaus. Es wird allerhöchste Zeit, hier ein paar Spuren zu ziehen.
Um 6 Uhr 30 bei wolkenlosem Himmel losmarschiert, nach einer halben Stunde die Dachstein-Südwandhütte erreicht. Nachdem wir einen Hüttenstempel organisiert haben,
geht es in ca. zwei Stunden zum Hunerschartensteig (A/B bis B).
Am gegenüberliegenden Felshang sind sogar zwei Steinböcke zu sehen. Der Steig ist gut versichert, 1 Stunde echtes Klettervergnügen im Fels mit herrlichem Tiefblick. Wir sind mit Klettersteigset und Helm gesichert. Die Route ist zwar relativ einfach, ein Läufer (!) überholt uns sogar in kurzer Hose (scheint hier öfter unterwegs zu sein…), aber im Falle eines Steinschlages erscheint es bei einem Treffer wenig vorteilhaft, ungesichert aus der Wand zu kippen, wenn es doch die entsprechende Hardware dafür gibt. (Das Thema Steinschlag kommt später noch mal …). Die Attac-Karabiner unseres Klettersteigsets sind im Handling hervorragend und wirklich schnell im Seil einzuklinken. Mit einem Schrauber will sich auf jeden Fall keiner von uns mehr aufhalten. Um 10 Uhr kommen wir aus der Scharte, nach ein paar Fotos geht es am Hunerkogel (2687 m) mit der Gipfelstation der Dachsteinbahn weiter am Gletscherplateau entlang zum Einstieg in die Ostschulter.
Der Einstieg und die ersten Höhenmeter sind relativ schlecht gesichert, dann jedoch fast durchgängig mit Stahlseil versehen. Der Aufstieg zieht sich ziemlich hin,
viel Traubenzucker einwerfen, die Höhenmeter fordern doch ihren Tribut. Über das Mecklenburgerband zum Randkluftanstieg auf die Nordseite gequert, wo nur noch Stahlbügel, Trittstifte und
angegammelte Fixseile sind. Gemeinsam nehmen wir den Nordwandsteig in Angriff. Dort treten die ersten Staus auf, da hier deutlich mehr Leute unterwegs sind. Mit einem Halbseil sichere ich meine
Frau über ein paar Stellen hinweg, da die Sicherungen hier insgesamt etwas dürftig sind. Zudem ist sie etwas kleiner ist als ich und erreicht deswegen kaum die einzelnen Griffe. Um 14 Uhr stehen
wir schließlich bei herrlichstem Wetter auf dem Gipfel und genießen die uneingeschränkte Rundumsicht. Das Gedränge am Gipfelkreuz hält sich in Grenzen, so dass wir auch noch zu „unserem“
Gipfelphoto kommen. Allzu lange machen wir jedoch nicht Pause, da wir die letzte Talfahrt von der Bergstation noch erwischen wollen. Es dauert fast eine Stunde, bis wir wieder den Gletscher
erreichen, denn es gibt wieder reichlich Stau. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Gedränge von einem anderen Bergsteiger versehentlich Geröll losgetreten wird. Der nachfolgende
Steinschlag geht genau in der Aufstiegslinie herab. Fast alle können rechtzeitig ausweichen, nur einer erhält einen Kopftreffer durch einen faustgroßen Stein. Dieser trägt aber einen Helm und die
Fallhöhe des Steines ist relativ gering, so dass die Sache glimpflich ausgeht. Nach kurzer Zeit ist die Aufregung vorbei und alles geht weiter wie zuvor. Das zeigt deutlich, dass manchmal auch
perfektes Können ohne Sicherung nicht ausreichend sein kann. In diesem steilen Gelände, wo es fast senkrecht runtergeht, ist es einfach nur grob fahrlässig, ohne Helm oder Sicherung unterwegs zu
sein. (Ich höre jetzt noch das „Tock“, als der Stein auf dem Helm aufschlug!) Aber jeder hat da anscheinend so seine eigene Sicherheitsphilosophie, wer
besonders „cool“ ist, geht eben ohne...
Am Ende des Nordwandsteigs erreichen wir die Randkluft zum Gletscher, die gut passierbar ist.
Wir gehen über den Gletscher zurück zur Ostschulter, der Weg ist deutlich schneller zu machen als über den Steig. Es sind einige Spalten zu sehen, trotzdem gehören wir zu den Wenigen, die angeseilt gehen. Bei unangenehmer Bruthitze zurück zur Hunerkogel-Bergstation, die wir gegen 15 Uhr 20 erreichen. Gegen Schluss werden die Füsse schwer in dem sulzigen Schneematsch, wo sich das Schmelzwasser fast knöcheltief sammelt. Seit 6 Uhr 30 sind wir nun fast ununterbrochen unterwegs und schon gibt es wieder leckere Salami-Brote. Tagsüber sind wir aus Zeitgründen auf Traubenzucker und Schokoriegel ausgewichen. Außerdem: die Brotzeit braucht auch viel frische Luft… Um 16 Uhr 10 mit der Bahn ins Tal gefahren. Satte 9 Std.-Tour mit 1400 Höhenmeter (incl. Gegenanstiege). Super Tour, nach getaner Arbeit ist der Blick zurück zum Gipfel besonders befriedigend und macht wirklich Lust, auch die restlichen Klettersteige in dieser Gegend zu besuchen. Vor allem in der Südwand … wir müssen wohl nochmal kommen…