Vor Beginn unserer Tour war ich eher skeptisch, was die Wahrscheinlichkeit einer Bärensichtung in Kanadas Wildnis anbelangt. Vor einigen Jahren war ich schon mal vier Wochen als Zelt-Tourist in Westkanada unterwegs und konnte nur für Sekunden einen Blick auf zwei Schwarzbären erhaschen, die den Highway überquerten. Also habe ich die Bedenken meiner Kids, „bei einer Wanderung von Bären aufgefressen zu werden“ mit der Bemerkung zerstreut: „Wir können froh sein, wenn wir überhaupt einen Bären zu sehen bekommen…“
Meine Glaubwürdigkeit wurde bereits am zweiten Tag unserer Reise heftig erschüttert: Kurz nachdem wir unsere Zelte am Abraham-Lake (westlich Edmonton/Alberta) abgebaut hatten und losfuhren, sahen wir eine Schwarzbärenmutter mit zwei Kleinen am Waldrand… Trotz hohem Niedlichkeitsfaktor der kleinen Bären waren meine Kids nun felsenfest überzeugt, dass unsere geplanten Wanderungen doch nicht „völlig unbedenklich“ sind. Mir, als Photograph kam diese unerwartete Begegnung natürlich gerade recht, auch wenn die Bedingungen nicht einfach waren, da das hohe Gras die Bären auf Futtersuche meist verdeckt hat. Aber immerhin hatten wir ein paar aufregende Minuten und konnten Bären beobachten, bevor sie im Wald verschwanden.
Irgendwie wollte mir nach dieser frühen Begegnung niemand mehr so richtig glauben, dass keine weiteren Bären unseren Weg kreuzen. Unser statistisches Soll war ja bereits erfüllt.
Als wir später im Peter Lougheed Provincial Park (Kananaskis) ankamen, waren die Trails rund um das staatliche Camp (Lower Kananaskis Lake Camp) gesperrt, da Grizzly-Aktivitäten beobachtet wurden. Damit verbunden war auch der Umstand, dass im Camp alle Wasserhähne abgesperrt waren. Wo kein Kochgeschirr abgespült werden kann, können auch keine Essensreste Bären anlocken. Trinkwasservorräte hatten wir natürlich dabei, aber eigentlich ist es schon recht unpraktisch, wenn man mehrere Tage das Kochgeschirr nicht spülen kann. Auch nach dem Besuch der in Alberta´s Camps obligatorischen Trockentoiletten entsteht der dringende Wunsch, sich die Hände zu waschen. Aber welcher Camper braucht schon den Luxus fließenden Wassers. Waschen kann man sich ja auch in einem der Seen oder Flüsse…
Es war jedenfalls sehr schade, dass einige unserer geplanten Wanderungen zu den wunderschönen Bergwiesen dieser Region den Bärenwarnungen zum Opfer fielen, die Zugangsstraßen waren kurzerhand gesperrt. Bei den möglichen Touren in den angrenzenden Gebieten hatten wir jedenfalls immer unser Bärenglöckchen dabei. Die dichtstehenden Bäume in Kanadas Wäldern erlauben manchmal nur wenige Meter Sicht und da ist eine unvermutete Begegnung mit Meister Petz vielleicht doch nicht soo lustig.
Apropos Begegnung: Als wir später in Banff im Tunnel Mountain Camp waren, sahen wir vor uns einen Jogger auf der Straße, der gerade sein Morgenläufchen absolvierte. Plötzlich stoppte er und kam eiligst schutzsuchend zu unserem Auto: Ein im Camp (!) umherstreunender Schwarzbär war gerade auf der Suche nach leichter Beute: viele Camper waren noch beim Frühstücken und einige Leckereien lagen daher unbeobachtet auf den Tischen. Zufällig kam gerade ein Ranger vorbei, der dem Bären sofort buchstäblich eins auf den Pelz brannte (Gummigeschoß oder was auch immer). Eine vernünftige und notwendige Aktion, auch wenn sie auf den ersten Blick etwas rabiat erscheint. Hat ein Bär erst mal leichtes Futter auf einem Campground erbeutet, wird er immer wieder dort erscheinen. Probleme mit den Camp-Besuchern sind dann vorprogrammiert und oft muss der Bär dann getötet werden. Also lieber gleich von Anfang an dem Bären klar machen, dass er hier nichts verloren hat.
Nach dem Bärenbesuch am Campground sind meine Kinder endgültig überzeugt, dass ihre Eltern völlig wahnwitzige Touren unternehmen und sie vermutlich als Bärenfrühstück enden… Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass wir zwischendurch schon mehrere Bären gesichtet hatten…
Das absolute Bären-Highlight unserer Kanadatour war allerdings eine abendliche Erkundungstour im Sunshine-Valley: Ein Grizzly, zum Greifen nah am Waldrand!!! Fast eine dreiviertel Stunde konnten wir den „Youngster“ beobachten, wie er auf Futtersuche Steine umdrehte, Wurzeln und morsches Holz mit seinen Klauen aufbrach, und das als echtes Naherlebnis in teilweise weniger als 10 m Entfernung. Der Bär verschwand ab und zu kurz im Wald, wenn der Weg dort einfacher war, kam aber immer wieder an den Waldrand zurück. Wir hatten das Glück fast völlig allein auf der Straße unterwegs zu sein und der Bär nahm uns kaum zur Kenntnis. Erst als ein asiatischer Erdenbürger mit dem Auto ankam, aus dem Auto stieg (!!!Hallo!!!) und mit seinem iPhone zu knipsen anfing, stutzte der Grizzly. Glücklicherweise hat sich die Situation nicht zugespitzt und der Bär verschwand im Wald und mit ihm unser Erdenbürger, der weiterfuhr. Kurze Zeit später war „unser“ Grizzly wieder am Waldrand zur Stelle und wir konnten den Anblick weiter genießen. Das Photographieren war relativ schwierig, es ist unglaublich, wie schnell und effizient sich ein Bär fortbewegen kann, und dann noch gleichzeitig das Auto mitziehen und lenken… (Das Lenken hat dann aber dankenswerterweise teilweise meine Frau vom Beifahrersitz aus übernommen). Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit musste ich mit hohen ISO-Zahlen arbeiten, aber die 5D III hat hier ja genügend Spielraum, so dass ich mit den Ergebnissen sehr zufrieden bin.
Nach einer dreiviertel Stunde hat sich schließlich der Grizzly endgültig in den Wald verabschiedet und für uns endet ein außergewöhnliches Erlebnis. Es ist wohl extrem selten, dass man in freier Wildbahn so nahe so lange einen Grizzly zu Gesicht bekommt. Wir freuen uns wie ein Schnitzel über dieses Glück und ich hätte nie damit gerechnet, einen Grizzly so gut auf den Chip zu bannen. Aber dem Glück muss man natürlich auch eine Chance geben, ohne entsprechende Vorbereitung wäre dies auch nicht möglich gewesen.
Dieses Erlebnis hat auch meine Kinder tief beeindruckt, weitere Wanderungen in diesem Gebiet waren jedoch etwas erschwert. Das Thema meiner Glaubwürdigkeit meinen Kindern gegenüber möchte ich an dieser Stelle aber nicht weiter erläutern.
Insgesamt haben wir während unserer 4-wöchigen Tour 14 Bären gesichtet. Vielleicht sollte ich an meinen statistischen Überlegungen
noch etwas feilen…?
Übrigens, wir waren immer ohne Bärenspray unterwegs …
Denn eigentlich sind Bärensichtungen wirklich selten ;-)
Kurze Bäreninfo:
Schwarzbären und Braunbären (Unterarten: Grizzly und Kodiakbär) kommen in Kanada vor allem in British Columbia, Alberta und den nördlichen Teilen Kanadas vor. Bären sind Allesfresser, wobei sich der Schwarzbär hauptsächlich von pflanzlicher Nahrung ernährt, der Grizzly jedoch von tierischer Nahrung.
Beide Bären können schwimmen und bis zu 50 km/h schnell laufen. Grizzlys werden mit bis zu 450 kg deutlich schwerer als Schwarzbären (max. 300 kg).
Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Schwarzbär (Ursus americanus) und Grizzly (Ursus arctos) eignet sich die Farbe nicht, denn nicht alle Schwarzbären sind wirklich schwarz! So kommen häufig Farbvariationen von weißlich, beige und hell- bis dunkelbraun vor.
In freier Natur die Bären zu unterschieden ist ohne direkte Vergleichsmöglichkeit daher gar nicht so einfach. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal ist jedoch der Schulterbuckel beim Grizzly, der auf seine enorme Schultermuskulatur zurückzuführen ist und dem Schwarzbären fehlt. Auch sind die Klauen des Grizzlys an den Vorderpfoten länger als beim Schwarzbären.
Ist man vor einem Bär auf einen Baum geflohen, kann man die Bären relativ einfach unterscheiden: Klettert der Bär auf den Baum
hinterher, ist es ein Schwarzbär. Haut er den Baum einfach um, dann ist es ein Grizzly… :)))
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