Schönfeldspitze 2653 m (II-) mit Überschreitung von Wurmkopf 2451 m, Schönegg 2390 m, Sommerstein 2309 m und Breithorn 2504 m

oder soweit die Füße tragen…

Schönfeldspitze… der Name allein ist fast schon wie Musik in meinen Ohren. Aufgrund ihrer markanten Form wird sie auch oft mit dem Matterhorn verglichen. Von Maria Alm aus thront sie hoch droben und zeigt mir ihre steile Südflanke. Beeindruckend, auch die Zahl der Höhenmeter, die morgen auf mich warten. Ich habe in diesem Urlaub wieder einen Tag „frei“ und mir eine echte Herausforderung rausgesucht, aber die Verlockung ist einfach zu groß. Zu lange geistert dieser Berg schon auf meiner Wunschliste herum, als dass ich jetzt widerstehen könnte.

Um 4 Uhr 20 stehe ich auf, mache ein kleines Frühstück und fahre kurz darauf zum Parkplatz Sandten, dem Ausgangspunkt dieser Tour auf 1150 m. Um 5 Uhr 20 starte ich auf dem Schotterweg zur Talstation der Materialseilbahn. Es ist noch so dunkel, dass ich die Taschenlampe brauche, um nicht zu stolpern. Das frühe Aufstehen hat aber den Vorteil, dass ich alleine unterwegs bin und es angenehm kühl ist, so dass ich schnell gehen kann und nicht zu stark ins Schwitzen komme. Bei der Talstation geht nun der Steig Richtung Riemannhaus steil nach oben, es sind sogar einige Stellen mit Drahtseilen versichert. Für ein Foto mit Selbstauslöser packe ich im Morgengrauen kurz das Stativ aus, dann geht es weiter durch eine Felsschlucht zum Riemannhaus auf 2177 m.

Um Punkt 7 Uhr erreiche ich die Hütte und freue mich, so schnell die erste Etappe geschafft zu haben. Und dann trifft mich fast der Schlag: einige hundert Meter vor mir sehe ich schon eine Gruppe von Bergsteigern Richtung Schönfeldspitze ziehen. Vielleicht habe ich es noch nicht erwähnt, aber wenn ich alleine unterwegs bin, schätze ich zwei Dinge:

1) ich kann mein Tempo gehen und meist tue ich dies relativ kompromisslos. Bei solchen Touren teste ich meistens meine Leistungsgrenzen, um mich mal richtig auszupowern.

2) ich erreiche früh den Gipfel, auf dem ich möglichst auch alleine sein möchte, zumindest einige Zeit. Das Gipfelerlebnis empfinde ich dann einfach wesentlich intensiver. Natürlich gehören mir die Berge nicht alleine, aber das ist einer der Gründe, warum ich immer sehr früh aufbreche.

Und jetzt bin ich doch zu spät dran und ich kann hinterher tuckern…Der AV-Weg Nr. 401 zieht sich östlich relativ eben dahin, also Nachbrenner rein und Tempo forcieren (bisher war ich noch immer bei meinen Solotouren alleine am Gipfel!). Erfreulicherweise stellt sich relativ schnell raus, dass ich Boden gutmache. Die drei älteren Herren lassen es gemütlicher angehen, so dass ich sie bald überholt habe. Außerdem war es „falscher Alarm“, als ich zwischen Schönfeldspitze und Wurmkopf die steile Felsflanke ansteige, sehe ich die Gruppe weiter zum Hochkönig ziehen. Damit bin ich bis auf weiteres wieder völlig allein unterwegs zur Schönfeldspitze. Das hat auch Nachteile, wie ich feststelle, denn der Weg ist lausig markiert, so dass ich in dem steilen Gelände erst mal falsch gehe. Das stelle ich allerdings erst fest, als es in der Flanke nicht mehr weitergeht. (Wie war das mit der Intensität??) Ganze 10 Minuten verbrate ich auf der Suche nach dem richtigen Weg, immerhin ist das Gelände so steil, dass ich mich nicht ungewollt ins Abseits stellen will. Der Fels ist aber fest und griffig, so dass es dann doch gut vorwärts geht. Und überhaupt: heute ist das perfekte Bergsteigerwetter: sonnig, nicht zu kalt und nicht zu warm, top Fernsicht!! Der Ausblick in die Hohen Tauern ist herrlich. Die Südflanke der Schönfeldspitze wird schon etwas interessanter. Das Felsband ist äußerst ausgesetzt, wer nicht wirklich schwindelfrei ist, hat hier gute Gründe, wieder umzukehren ;-))!! Die Schlüsselstelle ist ein abgegriffener Fels mit wenig Möglichkeiten zum Festhalten, der Weiterweg ist nicht einsehbar und der Abgrund gähnt gewaltig. Sicherheitshalber befestige ich eine Reepschnur zum Festhalten, auf der “anderen“ Seite geht es aber ohne Probleme weiter, so dass sie eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Ein paar künstliche Tritte und Stahlstifte entschärfen die ausgesetztesten Stellen, bevor die Markierungen auf der Ostseite der Schönfeldspitze wieder sehr steil zum Gipfel ziehen. Um 8 Uhr 50 stehe ich oben bei diesem ausgefallenem Gipfelkreuz und mache einige Photos. Was für ein schönes Gefühl, auf diesem Berg zu stehen und den Blick schweifen zu lassen!!

Als ich mir in der Morgensonne gemütlich meine Brotzeit schmecken lasse und die Aussicht genieße, trudeln die ersten Bergsteiger ein. Zumindest eine dreiviertel Stunde hatte ich hier oben für mich. Um kurz vor zehn Uhr mache ich mich wieder auf den Rückweg. Erst mal heisst es noch volle Konzentration beim Abstieg und den ausgesetzten Stellen, dann bin ich wieder zurück an der Westflanke und muss mich entscheiden, ob ich den gleichen Weg zurück gehe oder weiter Richtung Wurmkopf marschiere. Die 1500 Höhenmeter stecken mir schon ein bißchen in den Knochen, aber nach der Gipfelpause und der Brotzeit lockt bei diesem Wetter die komplette Überschreitung. Und wenn die Gipfel dann noch so schön aufgereiht vor einem liegen, muss man ja fast… Der Wurmkopf (2451 m) ist einfach über den Westgrat (I) zu erreichen. Ein kleines Steinmanndl markiert den Gipfel, dann geht es in nur wenigen Minuten weiter über den nächsten Sattel zum Streichenbeil (2412 m). Plötzlich fliegt in unmittelbarer Nähe zu mir ein Hubschrauber über den Grat Richtung Hütte, wo er Landeübungen macht und mehrfach über den Grat fliegt. Fast eine Viertelstunde kann ich dem Hubschrauber der österreichischen Armee bei seiner Übung zuschauen, bevor er wieder verschwindet.

Ich gehe nach Westen, wo sich der Grat in den nächsten Sattel hinab zieht um dann wieder zum Schönegg (2390 m) anzusteigen, das mir mit seinem großen Gipfelkreuz unbedingt neue Gipfelphotos aufdrängt. Aber die Aussicht ist auch so toll, dass es der Mühe wert ist. Über die Nordflanke steige ich ab und nochmal steil hinauf zum Sommerstein (2309 m), dem Hausberg des Riemannhauses. Der Blick geht hier über den Grat unweigerlich zurück zur Schönfeldspitze, eine schöne Linie! Am Sommerstein bricht der Gratrücken jäh ab, weiter geht es nicht mehr und ich mache mich auf zum Abstieg Richtung Riemannhaus. Als ich um 12 Uhr 45 dort ankomme ist die Hölle los, auf der Terrasse ist jeder Platz besetzt, ein Menschengewimmel wie am Jahrmarkt. Kein Wunder bei dem Traumwetter, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie all die Leute hier in der Hütte zum Übernachten Platz finden sollen.

 

Dem Bierchen auf der Hütte entsage ich (auch wenn das wohl die wenigsten verstehen), stattdessen will ich es wissen. Das Breithorn (2504 m) steht noch so in der Gegend rum und wer weiß ob ich nochmal in diese Gegend komme. „Die 430 Höhenmeter gönne ich mir noch“, denke ich mir, werfe einen Traubenzucker rein und Gas. Es sind genügend Leute unterwegs, an denen ich mich entlang hangeln kann und nach einer Dreiviertel Stunde hab ich auch ihn in der Sammlung. Dieser letzte Gipfel war für mich auch eher eine sportliche Herausforderung, weil ich wissen wollte, wie es sich anfühlt und ob ich es schaffe. Knapp 2000 Höhenmeter bei einer Tour, soviel habe ich bisher noch nicht gelistet und ich bin noch einigermaßen gut drauf. Und echt zufrieden mit mir! Denn vor einigen Jahren ist mir bei einer Tour mal RICHTIG der Saft ausgegangen! In meinen Anfangszeiten: mit wirklich schwerem Gepäck unterwegs auf einer Mehrtagestour, zu wenig gegessen und kurz vor dem Ingolstädter Haus so tilt, dass ich ernsthaft dachte, ich schaffe die letzten Meter nicht mehr zur Hütte!! Dass man so fertig sein und einem das Gehen so schwer fallen kann, wusste ich bis dahin nicht. Am Schluss war ich damals soweit, dass mich eine Seniorengruppe von ca. 70 Jahren ÜBERHOLT hat. Glaubt mir: SO EIN ERLEBNIS PRÄGT!! Es ist wohl nachzuvollziehen, dass die drei Herren heute kurz nach dem Riemannhaus ein gewisses Deja-vu-Erlebnis in mir ausgelöst haben…!! Daher tut es mir wirklich gut zu wissen, das ich jetzt die entsprechenden Reserven habe und sie auch richtig einschätzen und einsetzen kann. Nach einer kurzen Pause für Photos, Traubenzucker und Trinken (wird langsam knapp) gleich wieder zurück zum Riemannhaus (14 Uhr 30) und weiter zum Parkplatz (16°° Uhr), wo sich nach der 10,5-Stunden-Tour das Sitzen im Auto echt gut anfühlt.

 

 

06.09.2005

Tour-Info:

Kondition und Schwindelfreiheit unbedingt Voraussetzung, nur für wirklich geübte Bergsteiger (einige Stellen mit Schwierigkeit I)

http://www.roberge.de/content.php?file=/tour.php&id=911

Riemannhaus:

http://dav-huettensuche.de/index.php?pagedef=search&huetten_id=224106