Auf einer meiner Erkundungstouren (eigentlich wollte ich einen Fuchsbau kontrollieren) habe ich durch Zufall eine Spechthöhle entdeckt. Das überlaute Gezeter der Jungvögel ist schon aus vielen Metern Abstand deutlich zu hören. Als ich dem ununterbrochenen Rufen der Jungen folge und mich auf die Suche nach der Bruthöhle mache, kommt auch schon das Spechtweibchen angeflogen und weist mir den Weg: An einer alten Kiefer in etwa 3,5 m Höhe werden die Jungen gefüttert. Ich bin zwar noch einige Meter von der Bruthöhle entfernt, trotzdem überrascht es mich, dass die Jungvögel gefüttert werden, obwohl ich ohne Tarnung in der Nähe bin. Das Nest liegt direkt an einem Waldweg, vermutlich sind die Vögel also Spaziergänger gewohnt.

An diesem Abend bin ich ohne Kamera unterwegs und im Wald ist es ohnehin schon zu dunkel, aber für den nächsten Morgen will ich versuchen, diese Fütterungsszenen zu photographieren. Nestphotographie ist allerdings eine heikle Sache: Ist die Tarnung des Photographen schlecht oder die Veränderung in Nestnähe zu abrupt, fühlen sich die Altvögel gestört und die stete Futterversorung der Jungvögel wird unterbrochen. Im schlimmsten Fall kann es sogar dazu kommen, dass die Altvögel das Nest aufgegeben. Oberstes Gebot ist es daher, behutsam vorzugehen und das Verhalten der Altvögel genau zu beobachten. Beim geringsten Hinweis einer Störung sollte man sich sofort zurückziehen und auf Photos verzichten.

Ich nutze zur Tarnung meinen Ghillie, trage schwarze Handschuhe und auch Stativ, Kamera und Objektiv sind mit einem Tarnschal umwickelt. Bei den schwülwarmen Temperaturen bin ich innerhalb kürzester Zeit ziemlich durchgeschwitzt, aber was hilft´s… Ich lasse mir mit meiner Annäherung an die Brutröhre Zeit, in gebührendem Abstand warte ich am Weg den Anflug von Weibchen und Männchen ab, erst dann nähere ich mich ein Stückchen, warte wieder den Anflug beider Elternteile ab und so geht es Stück für Stück auf Photodistanz näher.

Das ununterbrochene Gezeter in der Bruthöhle und die Futterbettelei treibt die Spechteltern zu Höchstleistungen an: Im Fünf-Minuten-Takt bringen sie Raupen, Kohlschnaken, Wanzen, Ameiseneier etc. heran und ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass es nie genug ist. Die Lichtsituation ist nicht optimal, im Hintergrund sind im Blätterdach kleine Lücken und ich muss höllisch aufpassen, dass die hellen Stellen am Photo nicht „ausfressen“. Es ist gar nicht so einfach, die beste Position mit optimalem Hintergrund zu finden. Dafür ist es ein Vergnügen, den Spechten beim Familienleben zuzusehen. Immer wenn die Spechteltern mit Futter zur Bruthöhle zurückkommen, wird die Unruhe dort besonders groß. Schließlich macht einer der Jungen das Rennen und lässt sich das begehrte Futter in den Schnabel stopfen. Das Gerangel in der Höhle lässt sich von außen nur erahnen, aber das laute Gezeter im Innern spricht eine deutliche Sprache. Noch sind sie zu klein, dass sie aus der Höhle herausschauen, aber ab und zu kann man kurz im Eingang ein kleines Köpfchen erkennen. Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell Vögel heranwachsen. Mit jedem Tag werden die Kleinen frecher und es dauert keine Woche, bis sie sich weit aus der Höhle lehnen und die Ankunft der Eltern (und des Futters!!!) erwarten. Natürlich ist zu keinem Zeitpunkt Funkstille, von frühmorgens bis zur Dämmerung abends ist das lautstarke Gezeter der Jungvögel zu hören.

Als ich schließlich eines Tages wieder die Spechte besuche, ist es deutlich ruhiger geworden. Nur noch ein Junges ist in der Höhle, dementsprechend leiser ist es geworden und auch die Anflughäufigkleit der Eltern ist deutlich geringer (die ausgeflogenen Jungspechte wollen ja auch noch versorgt werden…). Ich bin mir sicher, dass auch diese kleine „Rotmütze“ am nächsten Tag die schützende Höhle verlassen und die weite Welt erkunden wird. Was für ein schönes Erlebnis, die Spechte eine kurze Zeit auf ihrem Weg begleitet zu haben.

 

Steckbrief Buntspecht:

Bis zu 7 Eier werden gelegt. Die Brutdauer beträgt 9-12 Tage, die Nestlingszeit ca. 20-23 Tage. Das Männchen hat einen roten Nackenfleck im Gegensatz zum Weibchen mit schwarzem Nacken. Die Jungtiere besitzen eine rote Kappe.